CDs
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NEUES
AUS
DER
M U S I K W E L T
von Thomas Hintze
Aus seiner umfangreichen CD-Sammlung
fischt der Jazz-Kenner und -Liebhaber
Thomas Hintze für die STEREO-Leser jeden
Monat die schönsten Schätze. Im Folgenden
widmet er sich den Standards.
Meine Jazz Standards
„These Foolish Things“
M
it dem Titel „These Foolish
Things“ landen wir wieder
bei einem Musical, diesmal aller-
dings nicht am Broadway, sondern
in London. Der englische Kompo-
nist Jack Strachey schrieb es mit
dem Koautor Harry Link, die Tex-
te steuerte Eric Maschwitz bei.
Die Londoner Premiere fand 1936
statt, doch schnell fanden die Me-
lodien den Weg über den großen
Teich. Für den Jazz wurde „These
Foolish Things“ von Benny Good-
man entdeckt, aber so richtig Fuß
fassen konnte der Song erst, als
sein Pianist Teddy Wilson sich der
Sache annahm. Heute gibt es eine
große Anzahl unterschiedlichster
Einspielungen.
Diese Gelegenheit möchte ich
nutzen, um Ihnen die großartige,
aus Leipzig stammende Jazzpia-
nistin
Jutta Hipp
mit ihrer Versi-
on vorzustellen, die sie gemein-
sam mit dem Tenorsaxophonisten
Zoot Sims
1956 in Amerika bei Blue
Note einspielte. Ich erinnere mich
noch sehr gut an diese Zeit, war
Jutta Hipp doch eine der wichtigs-
ten Repräsentanten des modernen
„With Zoot Sims“
(Blue Note) ge-
hört zweifellos zu ihren Glanzstü-
cken. Zu Hipp und Zims stoßen
noch Jerry Lloyd (Trompete), Ahmed
Abdul-Malik (Bass) und Ed Thigpen
(Schlagzeug). Zoot Sims bläst eine
wunderbare Einleitung, kraftvoll,
wie man ihn kennt, schwebt er über
den Akkorden von Jutta Hipp, die
danach ihre Visitenkarte abgibt, ge-
folgt von dem Trompeter. Eine wun-
derbare Platte, aufgenommen von
Rudy van Gelder und somit auch
akustisch erstklassig.
gens Roy Haynes, am Bass spielt
kein Geringerer als George Mraz -
zweifellos eine hochkarätige Beset-
zung. Leitet in der Aufnahme mit Jut-
ta Hipp Zoot Sims ein, so ist es hier
Grapelli. Es gibt schon Parallelen,
denn danach kommt ebenfalls das
Klavier, hier gespielt von Michel Pe-
trucciani. Bitte seien Sie nicht ver-
wirrt, wenn Sie die CD auch unter
dem Titel „Stéphane Grapelli, Michel
Petrucciani“ finden, Dreyfus hat die
Reihenfolge der Namen später ein-
fach umgedreht.
des Öfteren an anderer Stelle be-
gegnet ist. Für diejenigen, die ein-
mal die Jazz-Szene an der West-
küste Amerikas in ihrer Blütezeit,
Anfang der 5oer-Jahre, kennenler-
nen wollen, bietet diese CD einen
tollen Einstieg, denn leider gibt es
viele Titel nicht mehr am Markt. Er-
gänzend hierzu möchte ich Sie au-
ßer der Reihe noch auf den Samp-
ler „California Jazz Jasmine“ (Drey-
fus) hinweisen. Auch er deckt eine
große Bandbreite des Jazz an der
Westküste (Kalifornien) ab.
Eigentlich habe ich etwas ge-
gen Sampler, sind sie doch meist
nur ein Marketinginstrument, um
einmal Kasse zu machen. Deshalb
vermeide ich es gewöhnlich, Ih-
nen solche Produkte zu empfeh-
len. Weil es aber keine Regel oh-
ne Ausnahme gibt, folgt nun ein
weiterer Sampler, und zwar einer,
der sich ganz dem Saxophon wid-
met.
Ich habe diverse CDs, die Les-
ter Youngs Versionen von „The-
se Foolish Things“ enthalten, ei-
nige habe ich Ihnen bereits emp-
fohlen. Manchmal habe ich Appe-
tit auf ein Saxophon, kann mich
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um
Jutta Hipp: With Zoot Sims
Michel Petrucciani, Stéphane Grapelli:
Flamingo
The Best Of West Coast Jazz
Soul, Sound & Sax
Jazz in Europa, die gemeinsam mit
dem österreichischen Tenorsaxo-
phonisten Hans Koller die Jazzfes-
tivals bereicherte. Auf einem wurde
sie von dem amerikanischen Jazz-
kritiker Leonard Feather entdeckt
und in die Staaten geholt. Bis auf
wenige Ausnahmen verlief ihre Kar-
riere dort aber sehr schleppend, so
dass sie schließlich ihre Auftrit-
te beendete und ihren Lebensun-
terhalt ohne Klavierspiel verdie-
nen musste. 2003 starb sie in New
York. Nach ihrem Tod erinnerte man
sich pötzlich wieder an sie. Eini-
ge ihrer Aufnahmen wurden veröf-
fentlicht, nachdem sie vom Markt
fast verschwunden waren. Die CD
Als ich vor vielen Jahren in Lon-
don war, wollte ich natürlich auch
in Europas bekanntesten Jazzclub
„Ronnie Scotts“. Ich hoffte Oscar
Peterson dort zu hören, der gerade
auf Europatour war. An dem Abend
spielte aber „nur“
Stéphane Grapel-
li
, der französische Jazzgeiger. Wir
gingen trotzdem hinein, gaben un-
sere Vorurteile an der Gaderobe ab,
und siehe da, es wurde ein wunder-
barer, swingender Abend. So möch-
te ich Ihnen dieses Mal die CD
„Fla-
mingo“
(Dreyfus) empfehlen. Einmal
geht es um den großartigen Geiger,
aber auch der Pianist
Michel Petruc-
ciani
hat es mir bei dieser Aufnahme
angetan. Am Schlagzeug sitzt übri-
Vor sehr langer Zeit (STEREO
2/2007) hatte ich Ihnen die CD
„The Best Of West Coast Jazz“
empfohlen, enthielt sie doch 22
Titel aus der West-Coast-Jazz-Sze-
ne, die zum Teil leider vergriffen
sind. Das Album fängt mit Shor-
ty Rodgers And His Giants an und
hört mit Titel 22 (Stan Kenton And
His Orchestra) auf. Dazwischen
liegt auf Platz 14 „These Foolish
Things“, gespielt von dem Altsaxo-
phonisten
Art Pepper,
begleitet
von Hampton Hawes (Klavier),
Joe Mondragon (Bass) und Shelly
Manne (Schlagzeug). Es handelt
sich um eine Aufnahme, die ganz
Art Pepper gehört, der uns schon
aber nicht entscheiden, welcher
Art: Alt, Tenor oder Bariton? Und
wer könnte es spielen? Da hilft die
CD
„Soul, Sound & Sax“
(Christa l/
Harmonia mundi), und dort fin-
det sich als Track 6 auch Lester
Young mit „These Foolish Things“.
Die Aufnahme ist älteren Datums,
ich scheue mich fast, das Entste-
hungsjahr 1945 zu nennen. Aber
es klingt einfach wunderbar, weil
Harmonia mundi ganze Arbeit
geleistet hat. So beschließt ein
Tenorsaxophonist unseren heuti-
gen Ausflug zu „diesen verrück-
ten Dingen“. Ich wünsche Ihnen
viel Spaß beim Hören, Ihr Tho-
mas Hintze.
130 STEREO 3/2015
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend | ★ ★ ★ ★ sehr gut | ★ ★ ★ solide | ★ ★ problematisch | ★ schlecht